Der nachfolgende Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat der Freien Universität Berlin.

Vorbemerkung

Die Oranienburger Stadtverordnetenversammlung hat am 22. Juni 2020 die Benennung mehrerer Straßen im neuen Wohngebiet „Am Aderluch“ beschlossen. Dem Beschluss zugrunde lag ein Konzept, mit dem stellvertretend durch ausgewählte Frauenschicksale der wechselhaften Geschichte Oranienburgs vom späten 19. bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gedacht werden sollte. Neben dem politischen Wirken von Frauen wollte sich die Straßenbenennungskommission gleichsam der besonderen Verantwortung der Stadt als zentralen Ort der nationalsozialistischen Verfolgung annehmen. Diesem Leid sollte mit Rosa Broghammer und Galina Romanowa stellvertretend gedacht werden. An die Schicksale politischer Verfolgung nach 1945 sollte mit einer Straßenbenennung nach der ehemaligen Speziallagerinsassin und langjährigen Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Lager Sachsenhausen, Gisela Gneist erinnert werden.

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Der nachfolgende Beitrag erschienen zuvor auf der Webseite des Autors.

Berliner Mauer (Niederkirchnerstraße, 1988). CC-BY-SA 4.0 Roland Arhelger (via Wikimedia Commons)

Es war im Sommer 1961. Beim Abendbrot berichtete die Tagesschau vom Treffen Chruschtschow-Kennedy in Wien, als mein Vater einen minutenlangen Wutanfall erlitt. Sein Zorn richtete sich ausschließlich gegen Kennedy (Chruschtschow war für ihn sowieso ein Verbrecher). Die Mauer ahnte er als solche wohl nicht. Aber er vermutete intuitiv: Die einigen sich auf unsere Kosten. Also eine Art Frontbegradigung – Kuba gegen West-Berlin. Meine Mutter, eine kluge, gebildete Frau sagte nur: Warum sollten die Amerikaner für uns einen Atomkrieg riskieren?

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Szene aus dem Film „Berlin Ecke Schönhauser“ (Bildquelle: Deutsches Filminstitut/Filmmuseum Potsdam)

Szene aus dem Film „Berlin Ecke Schönhauser“ (Bildquelle: Deutsches Filminstitut/Filmmuseum Potsdam)

Die Jugendkultur in der zweiten Hälfte der 50er Jahre war im Osten wie im Westen stark geprägt vom so genannten „Halbstarkenphänomen“. Halbstarke erregten mit ihrem unangepassten Verhalten und teils gewalttätigen Krawallen breites Aufsehen. Obwohl sie stets nur einen geringen Teil der Jugendlichen repräsentierten,1 prägten sie entscheidend das Jugendbild jener Zeit.

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Der nachfolgende Beitrag erschienen zuvor in der Zeitschrift „Der Stacheldraht“, Ausgabe 3/2013. Der Autor ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Lager Sachsenhausen 1945-1950 e. V..

Museum Sowjetisches Speziallager Nr. 7

Museum Sowjetisches Speziallager Nr. 7 (Bildquelle: K.schaetze via Wikimedia Commons)

Der Ende Juli 2011 neu gewählte Vorstand der AG Lager Sachsenhausen 1945-1950 e. V., unter seinem Vorsitzenden Joachim Krüger (MdA), versucht nicht, mit der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten vergangene Konflikte noch einmal auszutragen. Es wird von uns vielmehr ein Minimalkonsens in vier zentralen Fragen mit vernünftigen, für alle Seiten zumutbaren, künftig tragfähigen Lösungen angestrebt. Es sind wahrlich bescheidene Forderungen und Wünsche, die wir im Namen der überlebenden Häftlinge des sowjetischen Speziallagers Nr. 7/Nr. 1, aber vor allem auch im Andenken an die mindestens 12.000 Toten erheben.

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Punk am Alexanderplatz März 1990

Punk am Ost-Berliner Alexanderplatz März 1990 (Foto: Klaus Oberst, Bundesarchiv, Bild 183-1990-0313-318, via Wikimedia Commons

Im Kontext eines sozialen Niedergangs ab Mitte der 70er Jahre formierte sich in den Großstädten Europas und Nordamerikas eine neue Form des Jugendprotests. Der rasante Abstieg althergebrachter Industriezweige und der damit einhergehende Anstieg der Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot sowie die Ausgrenzung ärmerer Bevölkerungsschichten, aber auch die Wiederaufrüstung im Zuge des sich in der letzten Phase befindlichen „Kalten Krieges“ verbanden sich in den Metropolen zu einem besonderen sozialen Zündstoff.

Dies führte zur Etablierung des Punk sowie der Skinheads – zwei neue Jugendkulturen – in England, wo sich die Perspektivlosigkeit angesichts der besonders drastischen Auswirkungen der wirtschaftlichen Krise mit einem strengen Klassensystem verband. Während die überwiegend aus der Arbeiterschicht stammenden jugendlichen Skinheads bewusst ihre proletarische Herkunft betonten, rekrutierten sich die Punks über die Grenzen dieses Klassensystems hinweg. Innerhalb beider Gruppen entwickelten ein ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsbewusstsein. Das im Unterschied zur Hippiebewegung überwiegend negative Weltbild der Punks und Skinheads äußerte sich in zahlreichen Songs, wie dem zum Leitmotiv gewordenen „No Future“ der Sex Pistols.

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„Eigentlich wollte ich einmal nur Gedichte schreiben, vielleicht über die Liebe, die Natur. Wichtigeres drängte sich vor.“

– Jürgen Fuchs

Jürgen Fuchs 1990

Jürgen Fuchs 1990 (Foto: Kai Ammon, via Wikimedia Commons)

Der 1950 in Reichenbach geborene Lyriker und Prosa-Autor Jürgen Fuchs wurde bereits seit der 11. Klasse vom Staatssicherheitsdienst wegen seiner kritischen Äußerungen überwacht. Nach einem gemeinsamen Auftritt mit Bettina Wegner und Gerulf Pannach, dem Texter der Band Renft, wurde er aus der SED ausgeschlossen. Kurz vor dem Abschluss – die Diplomarbeit war schon mit „sehr gut“ bewertet worden – wurde Jürgen Fuchs wegen seiner Gedichte und Prosawerke vom Disziplinarausschuss der Friedrich-Schiller-Universität Jena zum Ausschluss von allen Universitäten, Hoch- und Fachschulen der DDR verurteilt und politisch zwangsexmatrikuliert. Nach Protesten gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns wird er am 19. November 1976 verhaftet und muss eine neunmonatige Haftstrafe in Berlin Hohenschönhausen verbüßen, bevor er zur Ausreise nach West-Berlin gezwungen und zahlreichen Zersetzungsmaßnahmen ausgesetzt wird.1

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Mauerbau

Mauerbau (Foto: Helmut J. Wolf, Bundesarchiv, Bild 173-1321, via Wikimedia Commons)

Ein chinesisches Sprichwort lautet: Wenn die Winde des Wechsels wehen, bauen die einen Windmühlen, die anderen Mauern. Die sozialistische Idee (Utopie), die im 20. Jahrhundert so viel Leid und Gewalt über die Menschheit brachte, war auch auf deutschem Boden bereits frühzeitig jämmerlich gescheitert. So wie Stalin Millionen verhungern und ermorden ließ, so sah sich die SED gezwungen, die eigene Bevölkerung einzusperren. Die DDR war ohne Mauer und Stasi nicht lebensfähig.

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Empfang der Kirchenleitung bei SED-Chef Erich Honecker (Foto: Peter Koard, Bundesarchiv, Bild 183-T0306-0025, via Wikimedia Commons)

Manfred Stolpe (Mitte) beim Empfang der Kirchenleitung bei SED-Chef Erich Honecker 1978 (Foto: Peter Koard, Bundesarchiv, Bild 183-T0306-0025, via Wikimedia Commons)

Kaum einer „Stasi-Enthüllung“ ist in der deutschen Öffentlichkeit eine ähnlich intensive und langanhaltende Aufmerksamkeit zuteil geworden, wie dem Fall des SPD-Politikers und ehemaligen Brandenburger Ministerpräsidenten Manfred Stolpe.1 Dieser hatte nach der intensiven Berichterstattung über eine mögliche Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in seinem 1992 veröffentlichten Buch Schwieriger Aufbruch2 umfangreiche Kontakte zur Stasi eingestanden, zugleich aber vehement bestritten, Inoffizieller Mitarbeiter (IM) des MfS gewesen zu sein. Seither sind jedoch zahlreiche Indizien für eine inoffizielle Zusammenarbeit Stolpes mit dem MfS recherchiert und von verschiedenster Seite nach zum Teil sehr unterschiedlichen Maßstäben bewertet worden. Zuletzt wurde die Kontroverse um seine Vergangenheit 2011 neu belebt. Hintergrund war ein Gutachten3 der Brandenburger Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, welches 20 Jahre nach den Stasiüberprüfungen im Brandenburger Landtag seinen Fall nochmals beleuchtete und Kritik am Umgang mit seiner Stasivergangenheit übte. Nichtsdestotrotz entzieht sich der „Fall Stolpe“ bis heute einem einhelligen Urteil. Gerade deshalb ist er aber besonders zur beispielhaften Darstellung der Probleme bei der Abgrenzung und Bewertung inoffizieller Zusammenarbeit mit dem MfS geeignet. Der vorliegende Artikel versteht sich dabei als ein Beitrag zur kritisch-differenzierten, und zugleich biographisch konkreten Auseinandersetzung mit Inoffiziellen Mitarbeitern. Zu diesem Zweck soll das Fallbeispiel Manfred Stolpes anhand eines allgemeinen Katalogs an Kriterien zur differenzierten Beurteilung der Stasi-Unterlagen ausgewertet und jene kritische Gesamtbeurteilung seiner Person nachgeholt werden, welche den Gutachtern der Enquete-Kommission 2011 mangels politischem Auftrag verwehrt blieb.

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Am 18. August 1960 gaben fünf – bis dato unbekannte – junge Musiker aus Liverpool auf der Hamburger Reeperbahn ihr erstes Deutschlandkonzert. Noch ahnte niemand, welche Hysterie John, Paul, George und Pete schon bald auslösen würden. Rund zwei Jahre später landeten die „Beatles“ mit „Love Me Do“ ihren ersten Hit und der Hype um die junge Band entwickelte sich zu einer ausgewachsenen „Beatlemania“. Auch andere Bands, wie die „Rolling Stones“, erlangten in der Folge Weltruhm und prägten den Sound einer ganzen „Beat-Generation“.

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